Sebastian Diemer
Kreditech
Die Menschen, denen mit 27 Jahren schon 274 Millionen Dollar an Venture Capital anvertraut worden sind, dürften an ziemlich wenigen Händen abzählbar sein. Sebastian Diemer ist einer von ihnen – und das ist noch lange nicht das Ende: Mit seinem Unternehmen Kreditech hat er eine Technologie entwickelt, die die Kreditwürdigkeit von Internetnutzern in Echtzeit feststellt. Online, anhand von insgesamt 20.000 Datenpunkten, beispielsweise mithilfe von Facebook-Profilen. Im Vergleich zu den herkömmlichen Banken, die noch Papierberge bewegen, um Kreditentscheidungen zu treffen, ein möglicherweise entscheidender Geschwindigkeitsvorteil.
Als einer der Vorreiter des aktuellen Hype-Themas Fintech (Finanz-Technologie) will er auch zukünftig den Finanzmarkt aufmischen.
- Sebastian, Du hast eines der derzeit heißesten Start-Ups in Hamburg gegründet. Was ist der Grundgedanke hinter Kreditech?
- Kreditech ist ein Unternehmen, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, Banken zu digitalisieren, und zwar weltweit. Wir sind der Meinung, dass die Digitalisierung, wie sie in den letzten Jahren in so vielen Bereichen des Lebens aufgetreten ist, auch den Bankensektor enorm verbessern kann. Wir haben in der Musikbranche gesehen, dass man nicht mehr in den CD-Laden gehen muss, sondern sich heutzutage über das Smartphone Lieder kaufen und anhören kann; dass man sein Privatleben mit Dating-Anbietern wie z.B. Tinder digital ändern kann; dass Zeitungen von Print auf elektronische Formate umstellen. Insbesondere haben wir im E-Commerce gesehen, dass wir uns nicht mehr in lange Schlangen stellen müssen, denn heutzutage bestellt man sich an der roten Ampel mit zwei Klicks ein neues Paar Hosen, digital.
- Aber es geht nicht nur um Online-Banking?
- Nun, auch. Man geht noch immer in die Bank und zieht aus einer riesigen Maschine ein Stück Papier, auf dem steht, wofür man Geld ausgibt. Man stellt sich noch in eine Schlange und schaut dann einem schlecht gelaunten Mitarbeiter dabei zu, wie er Daten in den PC tippt – um nach zwei Wochen einen Papierstapel zugeschickt zu bekommen, den man ausfüllen und wieder zurückschicken muss. Was in den anderen Branchen gerade so erfolgreich passiert, lässt sich auch auf den Banking-Bereich übertragen, damit das Ganze wesentlich einfacher und kundenfreundlicher wird. All diese Digitalisierungen haben den Bankensektor noch nicht wirklich erfasst – und Kreditech möchte das ändern.
- Und dabei kümmert ihr euch vor allem um einen bestimmten Aspekt, richtig?
- Ja, es geht stets um die Kreditwürdigkeit des Kunden, den sogenannten Credit Score. Unsere Vorgehensweise ist dabei recht unorthodox. Alexander, mein Mitgründer, und ich haben nie in einer Bank gearbeitet und hatten somit kein belastendes Gedankengut in uns. Uns war von Beginn an klar, dass ein wesentlicher Grund dafür, dass Banken so kundenunfreundlich sind, der Credit Score ist – und zwar, weil er für den Großteil der Weltbevölkerung überhaupt nicht vorliegt. In Deutschland errechnet z.B. die Schufa diese statistische Rückzahlwahrscheinlichkeit für Kredite. Weltweit jedoch haben vier Milliarden Menschen überhaupt keinen Credit Score. Wir haben eine Technologie entwickelt, die es ermöglicht, diesen herkömmlichen Credit Score durch Daten, die Menschen im Internet hinterlassen, zu ersetzen: Seien es Facebook-Freunde, Locations, hochgeladene Bilder, besuchte Webseiten – alles, was man online über eine Privatperson finden kann, wird hierbei verwendet.
- Ihr entwickelt eine Art internationale, digitale Schufa? Wie genau funktioniert das Ganze?
- Konkret schauen wir uns bei einem Kreditantrag 20.000 Datenpunkte an. Dabei ist jeder für sich allein genommen nicht sonderlich aussagekräftig, aber die Betrachtung des großen Ganzen als Kombination all dieser Daten wird dann doch sehr aussagestark: Wir können innerhalb von wenigen Sekunden bei fast jeder Person auf der Welt seine Kreditwürdigkeit benennen. Wenn unser Ergebnis positiv ausfällt, bekommt die geprüfte Person in wenigen Sekunden Geld ausgezahlt, kein Warten, kein Filialbesuch, kein sinnloser Papierwust. Der Kunde stellt auf seinem Smartphone oder PC einen Antrag und wenn er zu den 15% gehört, die wir durchschnittlich annehmen, hat er innerhalb von wenigen Sekunden oder im schlimmsten Fall Minuten das Geld auf seinem Konto. Mittlerweile sind wir mit diesem Dienst in neun Märkten vertreten: Polen, Spanien, Tschechien, Russland, Australien, Peru, Dominikanische Republik, Mexiko und Kasachstan.
- Und ihr habt noch mehr im Angebot?
- Ja, wir bieten auch weitere Produkte an, das erste nennt sich Mikrokredit und meint kleine Beträge für kurze Laufzeiten, im Durchschnitt 150 Euro für ca. einen Monat. Damit bauen wir das System auf, trainieren den Algorithmus – und sind dann in der Position, viele verschiedene Bankenprodukte mit anzubieten, z.B. Kreditkarten, größere Kredite, die für jeden Kunden individuell zugeschnitten werden, etc., alles innerhalb von wenigen Sekunden. Die Vision ist ganz klar die digitale Bank, aber was wir zunächst in fünf bis sieben Jahren anbieten werden, ist sozusagen ein App-Store für Finanzprodukte, in dem man im Prinzip eine Art iTunes-Account erhält. Zusätzlich zu unseren Produkten werden wir hier externe Anbieter hinzuziehen, die andere Leistungen und Produkte anbieten können. Die Plattform soll für den Kunden sozusagen sein One-Stop-Shop werden: Was auch immer er im Finanz-Bereich braucht, er findet es bei uns. Wir kennen dieses Prinzip aus anderen Sektoren, Amazon ist das beste Beispiel. Und bei uns findet der Kunde dann alles rund um seine Finanzen und zwar so global und in so vielen Ländern wie möglich.
- Im vollständigen Interview erzählt Sebastian Diemer noch viel mehr interessante Geschichten und einige Erfolgsgeheimnisse. Außerdem gibt es im ganzen Buch noch 19 weitere interessante Unternehmer/innen kennenzulernen.
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